Premier League in Hangzhou: Verletzungsbedingte Aufgabe von Reem Khamis im Finale. Auch Madeleine Schröter verletzt sich und beendet das Duell um Bronze unter Schmerzen. Johanna Kneer wird erneut Fünfte. Hannah Riedels Debüt macht Mut für die nächsten Herausforderungen. Nikolai Sekot scheitert zum dritten Mal in Folge an Merabi Gelashvili aus Georgien. Amelie Lücke auf Augenhöhe mit der Konkurrenz.
Kann da schon wieder ein wenig lächeln: Reem Khamis
Update: Was für ein Drama, was für ein Pech: Reem Khamis, die im Premier-League-Finale von Hangzhou mit 3:0 gegen die Iranerin Atousa Golshadnezhad in Führung gelegen hatte, hatte den Wettkampf unter Schmerzen vorzeitig beenden müssen. Passiert war das Unglück beim Stand von 3:1, als Khamis eine Attacke ihrer Gegnerin abwehren wollte und dabei weggeknickt war. Nach einer ersten Behandlungs-Pause und in dem Wissen, dass Golshadnezhads Aktion drei Punkte eingebracht hatte, war Khamis zurück auf die Tatami gekehrt. Allerdings hatte sie kurze Zeit später erneut das medizinische Personal in Anspruch nehmen müssen. Ein letzter Versuch, den Kampf doch noch zu beenden, war schließlich an den zu großen Schmerzen und den damit verbundenen Einschränkungen gescheitert.
Johanna Kneer verliert sicher geglaubte Bronzemedaille in der Schluss-Sekunde
Nicht einmal eine Stunde später hatte auch Madeleine Schröter unter Schmerzen ihr "kleines Finale" gegen Nisrine Brouk aus Marokko beenden müssen. Auch sie hatte sich - beim Stand von 2:1 für Brouk - bei einer Aktion ihrer Konkurrentin verletzt. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 13 Sekunden zu absolvieren gewesen. Obwohl Schröter nach kurzer medizinischer Behandlung wieder auf die Matte gekommen war, war ein reguläres Weiterkämpfen nicht mehr möglich gewesen - und beide Athletinnen hatten die restlichen Sekunden verstreichen lassen.
Ebenfalls in die Kategorie "bitter" war das Duell um Bronze zwischen Johanna Kneer und Sofya Berlutseva gefallen: Nachdem die Kasachin, die in der Weltrangliste an Position zwei geführt wird, 1:0 in Führung gegangen war, hatte Kneer mehr und mehr die Initiative übernommen und aus dem 0:1 ein 2:1 gemacht. Und dieser minimale Vorsprung hatte bis zur letzten Sekunde gehalten. Doch Berlutsevas letzte Aktion, die noch in der Zeit gewesen war, hatten zwei Judges als punktwürdig erachtet - somit hatte Kneer die schon sicher geglaubte Bronzemedaille doch noch an ihre Konkurrentin verloren. Für Kneer war es nach Paris das zweite knapp verlorene "kleine Finale" in diesem Jahr.
Dirk Kaiser
Am zweiten Tag des Premier-League-Turniers von Hangzhou haben die DKV-Athletinnen und -Athleten beeindruckende Vorstellungen gezeigt. Nicht nur, dass Reem Khamis in der Gewichtsklasse -61 Kilogramm gegen Atousa Golshadnezhad (Iran) um den Titel kämpft. Auch Johanna Kneer (+68 Kilogramm) und Madeleine Schröter (-68 Kilogramm) haben noch Chancen auf bronzefarbenes Edelmetall: Während Kneer, die bereits in Paris ein "kleines Finale" bestritten hatte, auf Sofya Berlutseva aus Kasachstan trifft, heißt die Gegnerin von Schröter Nesrine Brouk (Marokko).
Nachdem sie beim ersten Premier-League-Event des Jahres in Paris den Einzug ins Viertelfinale knapp verpasst hatte, hatte es Reem Khamis diesmal besser gemacht und die Vorrunde ohne Niederlage abgeschlossen. Den Grundstein dafür hatte die "Grand Winnerin" von 2024 gleich im ersten Duell gegen Oleksandra Sholohova gelegt: Mit 2:1 hatte die Deutsche Meisterin die Nummer 29 aus der Ukraine, die hernach ihre beiden Kämpfe gewinnen sollte, besiegt.
Demonstration der Stärke im Halbfinale
Auch im Viertelfinale war die Europameisterin von 2024 ohne Gegenpunkt geblieben. Allerdings war das 3:0 gegen Beata Girvica aus Lettland eine knifflige Angelegenheit gewesen: Trotz früher 2:0-Führung war Girvica, die auch in der bevorstehenden Bundesliga-Saison wieder für einen bayerischen Verein an den Start gehen wird, eine unangenehme Gegnerin, die stets "Nadelstiche" gesetzt hatte.
Das Halbfinale gegen Kanay Assel aus Kasachstan war dann - zur Überraschung vieler - eine einseitige Angelegenheit: Mit 9:1 hatte sich Khamis gegen die Weltranglisten-Vierte, die mit 1:0 in Führung gegangen war, durchgesetzt und dabei bereits eine Minute vor Schluss - beim Stand von 5:1 - den "Deckel drauf" gemacht.
Nur zweimal hatte Johanna Kneer in der Vorrunde auf die Tatami gemusst - und dabei direkt im ersten Kampf gegen Sunita Khalimova (Neutrale Athletin) deutlich gemacht, dass kein Weg an ihr vorbeiführt. Bereits 14 Sekunden vor Schluss war das ungleiche Duell beim Stand von 9:1 für Kneer vorzeitig beendet gewesen. Da Khalimova zuvor Yulia Rusu aus der Ukraine mit 7:3 auf Distanz gehalten hatte, hätte sich die deutsche Doppel-Europameisterin sogar eine Niederlage erlauben können, ohne dass der Einzug ins Viertelfinale gefährdet gewesen wäre. Und eine sehr lange Zeit hatte es danach ausgesehen, als sollte Kneer tatsächlich verlieren. Doch in der Schluss-Sekunde hatte sie aus einem 0:1-Rückstand einen 3:1-Erfolg gemacht.
Französin Pea Clemence gelingt Halbfinal-Coup
Im Viertelfinale hatte die 27-jährige Deutsche relativ frühzeitig die Weichen auf Sieg gestellt: Obwohl sie gegen Nancy Garcia mit 0:1 in Rückstand geraten war, hatte Kneer ihre Taktik beibehalten und in nicht einmal 20 Sekunden eine 2:1-Führung erkämpft, die später auf 5:1 ausgebaut werden sollte. Zwar hatte die Französin noch auf 3:5 verkürzen können, doch am Einzug ins Halbfinale hatte das nichts mehr geändert.
In die Runde der letzten Vier war Kneer als große Favoritin gegangen. Denn ihre Kontrahentin, Clemence Pea aus Frankreich, wird in der Weltrangliste auf Position 48 geführt. Allerdings hatte sich Pea als sehr unbequeme Gegnerin erwiesen, die trotz 1:3-, 2:3- und 3:4-Rückstandes weiter an sich geglaubt hatte und schließlich für ihr Engagement belohnt worden war. Mit einer Ippon-Wertung elf Sekunden vor dem Ende zum 6:4 hatte Pea für die Überraschung gesorgt.
In der Vorrunde hatte Schröter unter Beweis gestellt, zu welchen Leistungen sie fähig ist: Nachdem die Bundeswehr-Sportsoldatin ihr erstes Duell gegen Joud Aldrous aus Jordanien unspektakulär mit 2:0 gewonnen hatte, hatte sie beim 5:0 über die Ägypterin Hadir Hendy eine Gala-Vorstellung abgeliefert und sämtliche Punkte durch Yuko-Wertungen erzielt.
Rehabilitiert für die 6:8-Niederlage in Paris
Da Hendy zuvor Elina Sieliemienieva bezwungen hatte, war klar gewesen, dass der Thüringerin bereits ein Unentschieden gegen die Ukrainerin, die Anfang des Jahres in Paris mit 8:6 das bessere Ende für sich gehabt hatte, zum Weiterkommen reichen würde. Am Ende hatten sich beide Kontrahentinnen tatsächlich 1:1 getrennt - wobei in den letzten Sekunden von beiden Trainern der Video-Beweis bemüht worden war und die dafür zuständigen Kampfrichterinnen und Kampfrichter mehrere Minuten gebraucht hatten, um festzustellen, dass keine Aktion der beiden Athletinnen regelkonform gewesen war.
"All in" wird sechs Sekunden vor dem Ende belohnt
Im Viertelfinale hatte es zunächst danach ausgesehen, als sollte die Schröter'sche Erfolgs-Geschichte enden: 1:4 hatte die 24-Jährige, die mit 1:0 in Führung gegangen war, gegen Janessa Michelle Fonseca Romero (Puerto Rico) zurückgelegen. Indes: In dem Wissen, dass eine weitere Verwarnung die Disqualifikation von Romero bedeutet hätte, war Schröter "all in" gegangen - und hatte sechs Sekunden vor Schluss - mit einer Ippon-Wertung - für den Ausgleich und den Einzug ins Halbfinale gesorgt.
In dem war Tsubasa Kama dann die bessere Kämpferin gewesen. Nachdem der Japanerin nach gut zwei Minuten die erste punktwürdige Aktion gelungen war, hatte sie in der Folgezeit binnen 13 Sekunden das Ergebnis von 1:0 auf 4:0 gestellt - und damit die Entscheidung herbeigeführt.
Der erste Premier-League-Wettbewerb dürfte Hannah Riedel Mut gemacht und Selbstvertrauen für die kommenden Herausforderungen gegeben haben: Nach dem verpatzten Auftakt gegen Feryal Abdelaziz - die Ägypterin hatte innerhalb von zehn Sekunden mit zwei Ippon-Wertungen die Weichen auf Sieg gestellt - hatte Riedel gegen die Nummer neun der Weltrangliste, Georgia Ceyco Zefanina (Indonesien), ein tolles Comeback gefeiert und sich knapp, aber verdient mit 1:0 durchgesetzt.
Unverhoffte Chance auf das Viertelfinale und ein couragierter Auftritt gegen Eda Eltemur
Und dieser erste Erfolg sollte Folgen haben: Aufgrund der bisherigen Resultate in der Vorrunden-Gruppe hatte die U21-Europameisterin von Bielsko-Biala und Gewinnerin des Serie-A-Turniers von Larnaca tatsächlich die Chance, mit einem Sieg über Eda Eltemur (Türkei) ins Viertelfinale einzuziehen.
Doch die routinierte und favorisierte Eltemur, die bereits 4:1 in Führung gelegen hatte, ehe Riedel 30 Sekunden vor dem Ende mit einer Fuß-Technik zum Kopf für den Ausgleich gesorgt hatte, hatte kurz vor Schluss, nach Überprüfung durch den Video-Judge, den entscheidenden Punkt zum 5:4 gemacht - und sich damit den Einzug in die Runde der letzten Acht gesichert. Für Riedel hatte der Wettkampf somit auf Rang drei geendet.
Ebenfalls auf Rang drei notiert worden war Amelie Lücke, deren erster Kampf nicht unglücklicher hätte verlaufen können: Da hatte die Thüringerin gegen die starke Französin Nancy Garcia alle Register ihres Könnens gezogen und Garcia keine "Angriffsfläche" geboten - und dann das! Eine (!) Sekunde vor dem Ende hatte Garcia eine Unachtsamkeit von Lücke genutzt und dadurch das Aufeinandertreffen mit 1:0 zu ihren Gunsten entschieden.
Nancy Garcia zweimal extrem nervenstark
Im zweiten Kampf gegen die Chilenin Javiera Lavin Gonzalez hatte Lücke von der verletzungsbedingten Aufgabe ihrer Gegnerin profitiert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es 1:1 gestanden - wobei Gonzalez über den Vorteil des Senshu verfügt hatte.
Da Nancy Garcia im darauffolgenden Kampf gegen die Kroatin Lucija Lesjak den entscheidenden Punkt zum 5:4 in der letzten Sekunde markiert und somit den Einzug ins Viertelfinale perfekt gemacht hatte, war das Duell zwischen Lücke und Lesjak nur noch von statistischer Bedeutung gewesen. Obwohl sich die 21-Jährige gegen die Weltranglisten-18. mit 1:2 geschlagen geben musste, war auch dieses Aufeinandertreffen eins auf Augenhöhe gewesen.
Noch besser als Riedel und Lücke hatte sich Nikolai Sekot in seiner Vorrunden-Gruppe platziert: Allerdings hatte er den Einzug in die K.o.-Runde durch die 3:4-Auftakt-Niederlage gegen Merabi Gelashivili verpasst. Für Sekot war es die dritte Niederlage in Folge gegen den Georgier gewesen: Dieser hatte bereits 2024 bei der Premier League in Paris (4:0) und zuletzt bei den U21-Europameisterschaften in Polen (3:2) das bessere Ende für sich gehabt. Indes: Nach der "kalten Dusche" zu Beginn hatte der EM-Dritte der U21-Altersklasse zwei beeindrucke Leistungen gezeigt und dabei unter anderem den Weltranglisten-Zehnten Sanad Sufyani aus Saudi-Arabien mit 8:4 bezwungen.
KUMITE
Reem Khamis (-61 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 1
2:1 gegen Oleksandra Sholohova (Ukraine) / 29
6:0 gegen Sevinch Otaboyeva (Usbekistan) / 58
2:0 gegen Aizhan Bakirova (Kasachstan) / 37
Viertelfinale: 3:0 gegen Beata Girvica (Lettland) / 18
Halbfinale: 9:1 gegen Kanay Assel (Kasachstan) / 4
Finale: 3:4 gegen Atousa Golshadnezhad (Iran) / 14
Hannah Riedel (-68 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 12
0:7 gegen Feryal Abdelaziz (Ägypten) / 31
1:0 gegen Georgia Ceyco Zefanina (Indonesien) / 9
4:5 gegen Eda Eltemur (Türkei) / 7
Madeleine Schröter (-68 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 26
2:0 gegen Joud Aldrous (Jordanien) / 33
5:0 gegen Hadir Hendy (Ägypten) / 14
1:1 gegen Elina Sieliemienieva (Ukraine) / 8
Viertelfinale: 4:4 gegen Janessa Michelle Fonseca Romero (Puerto Rico) / 10
Halbfinale: 0:5 gegen Kama Tsubasa (Japan) / 3
Duell um Platz drei: 1:5 gegen Nesrine Brouk (Marokko) / 56
Johanna Kneer (+68 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 2
9:1 gegen Sunita Khalimova (Neutrale Athletin) / 29
3:1 gegen Yulia Rusu (Ukraine) / 27
Viertelfinale: 7:3 gegen Nancy Garcia (Frankreich) / 7
Halbfinale: 4:6 gegen Clemence Pea (Frankreich) / 48
Duell um Bronze: 2:2 gegen Sofya Berlutseva (Kasachstan) / 2
Amelie Lücke (+68 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 31
0:1 gegen Nancy Garcia (Frankreich) / 7
1:1 gegen Javiera Lavin Gonzalez (Chile) / 25
1:2 gegen Lucija Lesjak (Kroatien) / 18
Nikolai Sekot (+84 Kilogramm) / Weltranglisten-Position 17
3:4 gegen Merabi Gelashvili (Georgien) / 26
8:4 gegen Sanad Sufyani (Saudi-Arabien) / 10
5:1 gegen Fabio Mazzoleni (Italien) / 46
"Die beiden Knie-Verletzungen von Reem und Madeleine tun richtig weh- zumal nicht absehbar ist, wann sie wieder auf die Tatami zurückkehren werden. Wir müssen jetzt die Diagnosen und bei Reem das MRT abwarten.
Johanna hat eine sehr starke Leistung gegen eine sehr starke Gegnerin gezeigt - allerdings hat sie durch einen Fehler in der letzten Sekunde die Medaille noch aus der Hand gegeben. Auch das schmerzt ungemein.
Drei Athletinnen in den
Final-Kämpfen sind eine "tolle Sache"
Gleichwohl hat sie einmal mehr bestätigt, dass sie zur Weltspitze gehört. Wenn es uns jetzt wieder gelingt, und davon gehe ich aus, an den kleinen, aber so wichtigen Stellschrauben zu arbeiten, dann wird Johanna schon sehr bald wieder ganz oben auf dem Podium stehen.
Dass wir diesmal drei Athletinnen in die Final-Kämpfe gebracht haben, ist eine tolle Sache gewesen - und dass sich Mia Bitsch neben Johanna Kneer und Reem Khamis für die 'World Games' qualifiziert hat, freut uns ebenfalls.
Noah Bitsch (Kumite-Bundestrainer)
Deutscher Karate Verband e.V.
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