Schnappschüsse von Noah Bitsch, eine fundierte Gegner-Analyse - und warum sich die richtige Umstellung auf die andere Zeitzone positiv bemerkbar gemacht hat.
Freitag, 6. August
Die rechtzeitige Umstellung auf die andere Zeitzone war das Beste, was ich bislang gemacht habe. Am Wettkampf-Tag ohne Wecker um 5.50 Uhr wach zu werden und sich ausgeschlafen zu fühlen, ist schon klasse. Das hat sich auch auf meinen Wettkampf ausgewirkt: Ich habe mich sicher und gut gefühlt und keine richtigen Mängel in den Katas wahrgenommen - sieht man einmal von dem Wackler in der zweiten Kata ab. Nach der Punkte-Vergabe nach der ersten Kata zu urteilen, hatten die Kampfrichter und Kampfrichterinnen wohl ohnehin dahin tendiert, keine weitere hohe Wertung zu geben.
Nach dem Wettkampf und einigen Interviews sind wir zurück ins Olympische Dorf, haben dort gegessen und sind dann wieder zurück in den "Nippon Budokan" gefahren, um uns Noah anzuschauen. Noah hat wirklich bombastisch gekämpft. Deswegen ist es so schade, dass es so knapp war. Er war so stark, dass er das Podium verdient gehabt hätte - obwohl er den ersten Kampf gegen Rafael Aghayev knapp verloren hat und später auch Luigi Busa unterlegen gewesen war. Allerdings ist es extrem schwer, gegen Aghayev zu kämpfen. Der hat eine so gute Kopf-Arbeit und bewegt sich so schnell - weil er deutlich kleiner ist als seine Gegner -, dass es nicht einfach ist, ihn zu treffen.
Ein paar Schnappschüsse von Noahs Wettkampf habe ich auch machen können. Obwohl ich kein Fotograf bin einer professionellen Kamera bin, sind mir ein paar gute Motive gelungen - oder etwa nicht...??
Euer Ilja Smorguner
Mittwoch, 4. August
Der Tag heute war anstrengend und ereignisreich zugleich - obschon Kata und Kumite getrennte Wege gegangen sind. Während wir trainiert haben, musste die Kumite-Fraktion zum Wiegen. So weit ich mitbekommen habe, ist bei Jonny und Noah alles im "grünen Bereich".
Nach dem Training haben wir am offiziellen Meeting im "Nippon Budokan" teilgenommen. Nachdem wir in Gruppen aufgeteilt worden waren, wurden wir durch die Wettkampf-Stätte geführt - verbunden mit zahlreichen Hinweisen, wo wir uns aufhalten und welche Wege wir nutzen dürfen.
Was auffällig war: Sämtliche Helfer und Helferinnen stammten aus Japan und waren, wie man es kennt, sehr freundlich und zuvorkommend. Und sie hatten Motivationsschilder für uns angefertigt. Auf denen war in den unterschiedlichen Sprachen unter anderem zu lesen "Give your best" oder "Viel Glück". Dass der Großteil der japanischen Bevölkerung gegen die Olympischen Spiele ist, bekommt man hier überhaupt nicht mit.
Zudem durften wir auf die Tatami - eine super Matte, die fest, nicht rutschig und sehr griffig ist. Ich hoffe mal, dass sich die Beschaffenheit der Oberfläche durch das Versprühen des Desinfektions-Sprays nach jedem Kampf nicht grundlegend verändern wird. Unabhängig davon vermittelt mir diese Tatami ein gutes Gefühl. Jasmin, das hat die Auslosung der Vorrunden-Gruppen ergeben, wird übrigens die erste Athletin sein, die diese Matte betritt. Sie ist somit tatsächlich so etwas wie eine Pionierin der olympischen Karate-Wettbewerbe.
Ihren Wettkampf werde ich leider nicht verfolgen können, obschon das möglich wäre. In Absprache mit Efthimios haben wir entschieden, dass ich zu dem Zeitpunkt trainieren werde. Schließlich gibt es keine "schlechten" Gegner - weder in meiner noch in der anderen Gruppe.
Nach Beendigung der Führung wurden uns noch diverse Formalien mitgeteilt. So herrscht für alle Beteiligten im gesamten "Nippon Budokan" Maskenpflicht - lediglich während des Kampfes und während der Zeit in den beiden Aufwärm-Räumen dürfen wir die Maske absetzen. Wobei: Nicht alle Nationen halten sich akribisch an die Vorgaben - das ist von Land zu Land ziemlich unterschiedlich. Wir gehören aber zu denen, die die Regel befolgen.
Nach 14.000 Schritten, die mein Tracker mir für heute anzeigt, ist jetzt Ruhe angesagt. Aber: Die Vorfreude steigt, denn morgen geht's endlich los.
Euer Ilja Smorguner
Dienstag, 3. August
Der heutige Tag war recht unspektakulär. Die Trainings-Einheit von Noah und Jonny beinhaltete hauptsächlich Situationen, in denen sie beispielsweise aus der Ecke heraus arbeiten mussten oder aber unter Druck Lösungen finden sollten. Jasmin und ich sind hingegen Sequenzen gelaufen, was vergleichbar mit den Kumite-Situationen ist. Generell habe ich den Eindruck, dass wir alle so schnell wie möglich auf die Matte und unsere Wettkämpfe bestreiten möchten. Im Übrigen ist die Kampf-Fläche im "Nippon Budokan" bereits aufgebaut.
Nach dem Training haben wir fast ausnahmslos unsere mehr oder weniger gravierenden und zum größten Teil auskurierten Verletzungen, die wir uns während der zwei Jahre dauernden Qualifikation zugezogen hatten, von den insgesamt vier DOSB-Physiotherapeuten behandeln lassen. Man merkt halt doch, dass der Weg zu den Olympischen Spielen Spuren an und in unserem Körper hinterlassen hat.
Am späten Nachmittag haben wir noch ein Team-Foto gemacht. Allerdings konnten wir unseren Plan, ein Motiv vor den Olympischen Ringen, leider nicht umsetzen - weil die Schlange davor extrem lang war. Folglich haben wir die Flaggen-Allee gewählt. Sieht aber auch ziemlich gut aus...
Morgen geht es ziemlich früh für Jasmin und mich zum Training - und außerdem steht die Gruppenauslosung an. Ich bin gespannt.
Ihr hört wieder von mir,
Euer Ilja Smorguner
Montag, 2. August
Nach dem Frühstück hat die "Kata-Fraktion" im Fitness-Studio ihre erste Einheit absolviert. Die wurde so gelegt, dass wir unseren Turnus beibehalten. Mit der Arbeit an den Geräten war unser Vormittag dann auch bestens ausgelastet. Danach, und vorherigem Mittagessen, haben wir unsere Sachen gepackt und sind zu unserer zweiten Trainings-Einheit ins "Tokio Budokan" gefahren. Intensität und Tempo wurden dabei spürbar hochgefahren. Zudem sind Jasmin und ich erstmals komplette Katas gelaufen. Die Kumite-Abteilung hat mit Reaktions-Spielen begonnen und danach Situationen ausgekämpft. Mein Eindruck der 75 Minuten: Alle sind top-fit, super motiviert und freuen sich auf die Wettkämpfe.
Weiter ging es mit dem Besuch eines Shopping-Centers am Rande des Olympischen Dorfes - wobei sich Christian und Noah für den Weg dorthin Fahrräder geschnappt haben, die man sich hier leihen kann. Der Rest hat den automatischen Bus genommen - futuristisch, voll elektronisch und ohne Fahrer. Allerdings befindet sich für den Notfall immer eine Person im Bus, der das Gefährt, das an vorgegebenen Stationen hält, stoppen kann.
Nachdem wir mit einigen Souvenirs das Shopping-Center zufrieden verlassen haben, sind wir noch ins "TeamD"-Haus und haben uns mit den anderen Athleten und Athletinnen die restlichen Wettkämpfe angeschaut.
Morgen gibt es weitere Neuigkeiten von mir,
Euer Ilja Smorguner
Sonntag, 1. August
Für uns war die Nachtruhe heute um 8.30 Uhr beendet. Während Jasmin, Christian Grüner und ich mit der Uhrzeit nicht so das Problem hatten, scheint den anderen der Jetlag wohl noch ein bisschen in den Knochen zu stecken. Nach dem Frühstück ging's ins Olympische Dorf, erste Eindrücke sammeln und ein "Mehrzweck-Gebäude", direkt gegenüber der Kantine, besuchen.
Warum "Mehrzweck-Gebäude"? Weil sich die untere Ebene in die Bereiche "Entspannung" und "Spiele" aufteilt und weil man sich im zweiten Stockwerk seine Matratze, die relativ hart ist, in mehreren Stufen anpassen lassen kann. In der obersten Etage befindet sich schließlich ein riesengroßes Fitness-Studio - das allerdings regelmäßig sehr stark frequentiert ist. Deswegen werden wir das "TeamD"-Studio nutzen, das über die "TeamD"-App gebucht werden kann. Dort sind alle Geräte vorhanden, die wir für unser Training benötigen. Die App hat zudem den Vorteil, dass wir darüber unter anderem unsere Physio-Termine koordinieren können.
Auf die Einhaltung der Trainings-Zeit wird penibel geachtet
Zu unserem ersten Training im "Tokio Budokan" wurden wir per Bus gebracht. Das Gebäude ist recht groß und besteht im Inneren komplett aus Holz. Die Trainings-Einheiten, die uns zugewiesen werden, dauern maximal 75 Minuten. Keine Minute mehr, keine Minute weniger. Nach Ablauf der Zeit kommen sofort Volunteers und desinfizieren die Tatami. Diese sind im Übrigen an allen vier Seiten mit Wänden "abgedichtet". Das soll verhindern, dass die anderen Nationen, die parallel trainieren, gestört werden. Berührungspunkte mit anderen Karatekas gibt es somit erst nach dem Training.
Am Abend haben wir uns noch das 100-Meter-Finale der Männer angeschaut. Wir genießen die Zeit hier in Tokio - und mitunter entfährt mir dann und wann ein spontanes und lautes "Yeah".
Ich halte Euch auf dem Laufenden,
Euer Ilja Smorguner
Samstag, 31. Juli
Endlich gelandet - obwohl ich vom Flug gar nicht so viel mitbekommen habe. Durch die rechtzeitige Umstellung auf die japanische Zeit habe ich fast nur geschlafen. Kurz vor dem Ausstieg haben Jasmin und ich von einer Flugbegleiterin, die offensichtlich ein Fan von uns beiden ist, noch eine Lufthansa-Tasse als Geschenk erhalten.
Bevor es in Richtung Olympisches Dorf gehen sollte, mussten wir zunächst einmal am Flughafen Haneda unzählige Formulare ausfüllen - inklusive derer, die wir zusätzlich noch im Flieger erhalten haben. Somit schleppt jetzt jeder von uns eine umfangreiche Mappe mit Unterlagen mit sich herum. Darüber hinaus mussten wir zwei Apps auf unsere Smartphones laden: eine, die für die Ein- und Ausreise notwendig ist, und eine weitere, die mit dem GPS kommuniziert. Nach vier Stunden und insgesamt acht Kontrollen waren die Formalitäten endlich erledigt. Allerdings mussten wir noch vier weitere Stunden warten, bis wir in dem Bus saßen, der uns Olympische Dorf bringen sollte.
Ein Bett aus Karton, ein Schrank, eine Gardine und eine Klima-Anlage
Gegen 20.00 Uhr war es dann so weit: Wir waren im Olympische Dorf angekommen: ein riesiges Areal inmitten der Stadt, umgeben von Wasser. Und wo das Wasser keine natürliche Barriere bildet, hält uns ein Beton-Zaun davon ab, das Gelände zu verlassen.
Nach dem Abendessen in der Mensa haben wir unsere Unterkünfte bezogen. Die Zimmer wirken so, als würde es sich noch um den Rohbau handeln. Der Grund dafür ist, dass der gesamte Komplex nach Olympia saniert wird und die Wohnungen, die für eine Woche unser Zuhause sind, entweder vermietet oder verkauft werden. Da passt es auch ins Bild, dass das Bett aus Karton ist - was ich persönlich aber total cool finde. Neben dem Bett gehören noch ein Schrank, eine Gardine und eine Klima-Anlage zur Ausstattung - das war's.
Ihr hört von mir,
Euer Ilja Smorguner
Freitag, 30. Juli 2021
Es war ein phantastischer Vormittag in Idstein - mit viel Sonnenschein und einem geplanten, aber dosierten Training. Nach dem Stretching habe ich mich ans Packen und Umpacken gemacht. In aller Ruhe. Überhaupt war es heute sehr entspannt - vermutlich war es nur die Ruhe vor dem Sturm. Zum Flughafen in Frankfurt hat mich mein Trainer gebracht - der hatte mich in den offiziellen Olympia-Sachen noch gar nicht gesehen. In jedem Fall hat er sich sehr für mich gefreut. Am frühen Abend ist dann die komplette DKV-Crew in Richtung Tokio abgehoben. Mal schauen, was uns dort erwartet...
Ihr hört von mir,
Euer Ilja Smorguner
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